Gemäß Gartner werden 90 Prozent aller anfänglichen Enterprise Blockchain-Projekte scheitern. Das ist eine deutliche Prognose. Grund dafür könnte sein, dass viele Pilotprojekte im luftleeren Raum stehen und die Integration in bestehende ERP- und Warenwirtschaftssysteme zu wenig bedenken. Wie wichtig Standards in Blockchains sind, haben wir in unserem Pilotprojekt selbst erfahren.
Fangen wir bei einem ganz grundlegenden Thema an: der eindeutigen Identifikation der Unternehmen, die Paletten tauschen. Stellen wir uns vor, wir würden Paletten-Tauschpartner mit beliebigen Freitext-Strings oder proprietären Keys identifizieren. Nehmen wir das Beispiel eines unserer Projektteilnehmer: „DM Drogerie”, „d.m.-drogerie”, „4711”, „d.m. drugstore”, „DM GmbH & Co. KG”, „dm Markt“. Na – die richtige Schreibweise erkannt? Nein? Sie war auch nicht dabei.
Stellen wir uns weiter vor, diese „IDs“ würden in den Blockchain-Transaktionen stehen, mit denen wir den Palettentausch abbilden. Wenn man seine IT-Kollegen bzw. Dienstleister überhaupt nicht leiden mag, ist das ein prima Weg, sie mal so richtig ins Schwitzen zu bringen. Denn ohne eindeutige Keys – egal ob für Unternehmen, Assets oder Geschäftsdokumente – wird jede Integration in bestehende IT-Systeme zum Albtraum. Mehr noch: Es stiftet Verwirrung, Mehrarbeit und Ineffizienz. Weder zentrale noch dezentral-verteilte Systeme wie Blockchains können sich so etwas leisten.
Öffnen wir nun ein Browserfenster und geben folgende Adresse ein: www.gepir.de. Im Suchfeld geben wir folgende Nummer ein: „4305215000002“. Der Datensatz, der zurückgegeben wird, liefert nicht nur die richtige Schreibweise unseres beispielhaften Tauschpartners (nämlich „dm-drogerie markt GmbH & Co. KG“), sondern auch eine Reihe nützlicher Basis-Stammdaten wie Adresse und Kontakt.
Bei der Nummer, die wir eben in GEPIR eingegeben haben, handelt es sich um eine GLN, einer ID von GS1, welche u.a. Unternehmen weltweit überschneidungsfrei und eindeutig identifiziert (siehe auch: www.gs1.org/standards/id-keys/gln). Ein weiterer Vorteil: Anwendungssysteme (z.B. Warenwirtschafts-, ERP-, Traceability-Systeme) kennen die GLNs ihrer Geschäftspartner häufig schon (u.a. werden sie zur Identifizierung von Geschäftspartnern bei EDI verwendet), was die Integration von Blockchains in die Unternehmensprozesse erheblich erleichtert.
Letztlich sind GLNs vergleichbar mit Payment-Adressen in Bitcoin, nur dass sie für unsere Zwecke nicht anonymisiert bzw. gehasht werden müssen (obwohl dies in anderen Use Cases natürlich möglich und sinnvoll ist): Palettentausch-Transaktionen sind schlicht und ergreifend wesentlich weniger sensibel als Finanztransaktionen (d.h. wer wann wie viel Geld an wen überwiesen hat). Da die Unternehmen GLNs ohnehin schon in ihren Systemen verwenden, können sie diese u.a. nahtlos zum Triggern der auf den Blockchain-Transaktionen basierenden Rechnungen zum Ausgleich geschuldeter Mengen nutzen.
Außer der GLN zur Identifikation der Tauschpartner finden noch folgende weitere GS1 Standards im Pilotprojekt Verwendung:
o EPCIS und CBV als Datenmodell für die in der Blockchain gespeicherten Event-Transaktionen inklusive standardisiertem Vokabular (www.gs1.org/standards/epcis)
o GRAI zur Identifikation der Europaletten (www.gs1.org/standards/id-keys/grai)
o GDTI zur Identifikation der digitalisierten Palettenscheine (www.gs1.org/standards/id-keys/gdti)
Damit hat unser Blockchain-Konsortium den Schlüssel in der Hand, eine skalierbare, effiziente und interoperable Lösung zu bauen (vgl. nachfolgende vereinfachte Grafik):
Auch für andere Blockchain Use Cases sollten wir stets im Blick behalten, dass GS1 Standards schon seit vielen Jahren zahlreiche Geschäftsprozesse unterstützen. Hersteller, Händler und Dienstleister haben sich nicht umsonst auf bestimmte standardisierte Idente und Attribute geeinigt. Gerade eine Open Source Technologie wie Blockchain sollte daher auf diese etablierten Standards aufsetzen, damit sie eine echte Chance auf Erfolg hat.
In den kommenden Monaten werden wir das Lösungskonzept zusammen mit den Praxis-Teilnehmern erproben und verfeinern. Die Ergebnisse (bspw. das Design der Blockchain-Transaktionen) werden wir anschließend mit allen interessierten Parteien teilen sowie in die internationale Standardisierungsarbeit einfließen lassen.
Über das Blockchain-Pilotprojekt hinaus kann GS1 in seiner Rolle als neutraler Standardisierungsdienstleister in vielen weiteren relevanten Bereichen helfen – sei es hinsichtlich technischer Spezifikationen (APIs, Hashing, etc.) als auch bzgl. organisatorischer Aspekte (z.B. Governance-Strukturen in Konsortium-Blockchains).
GS1 Germany
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